„Vor Ort bei Sportangeboten für Flüchtlinge“ war das Thema einer Informationsfahrt des Landessportbundes Berlin für Journalisten. Die Tour führte zu drei Stationen mit engagierten, hochmotivierten Vereinsvertretern und sportlich aktiven geflüchteten Jugendlichen. Insgesamt bieten inzwischen 64 Berliner Sportvereine 74 Projekte für Flüchtlinge mit 26 unterschiedlichen Sportarten an. Natürlich ist Fußball mit fast 20 Angeboten dabei ein Platzhirsch, aber die Vielfalt ist groß – auch Boule, Yoga, Bogenschießen, Taekwondo, Tanz, Cricket, Rugby oder Tischtennis sind dabei. Und eben auch Reiten, Rudern oder Shaolin Kung Fu, wie die drei besuchten Beispiele beim Reitclub Grunewald, Ruder-Club Tegelort und Shaolin Kulturverein Pankow zeigten.
Die Vereinsvertreter berichteten zum einen von den Schwierigkeiten der sehr speziellen Aufgabe bei vielen Formalien, von den Mühen des Alltags (Sprachbarrieren), den Traumata, mit denen viele der unbegleiteten Kinder und Jugendlichen nach Deutschland gekommen waren, den nachvollziehbaren Hemmnissen der „Refugees“, sich zu öffnen.
Aber sie berichteten auch von den Gefühlen, miterleben zu dürfen, wie sich für die Flüchtlinge für Momente, für eine Stunde, einen Tag oder im besten Falle über den Sport wiederkehrend so etwas wie „Glück“ herstellt.
Heide Meyer, seit 60 Jahren beim Ruder-Club Tegelort und jetzt dessen Vorsitzende, erzählt so emotional von der quasi per Zufall entstandenen Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsheim für unbegleitete Jugendliche, dass es gar keine zwei Meinungen dazu geben kann, ob das Sinn macht oder nicht: „Wir sind mit offenen Armen empfangen worden, und im Klub stimmten alle gemeinsam darin überein, dass wir mit offenem Herz und offenen Händen reagieren.“ Nicht ein einziges Mal habe es Probleme oder eine unangenehme Situation gegeben. Von anderen habe es Fragen gegeben: Geht das? Heide Meyer wirkt fast wie eine Missionarin, als sie sagt: „Die Freude in den Augen der jungen Menschen zu erleben, beantwortet alles.“ Zu den Jungs (Mädchen sind Ausnahme), die in den Ruderklub kommen, gehören viele Syrer, Afghanen – nicht unbedingt klassische Rudernationen. Sich im Boot im Wasser zu bewegen, bedeutet für sie, zunächst Lernen mit dem Sportgerät umzugehen. Deshalb dürfen sie auch totale Anfänger sein – einzige Voraussetzung ist, schwimmen zu können. Einer der ersten Nutzer des Angebots, der inzwischen 25-jährige Afghane Ayat Haidari, ist jetzt mit Bleiberecht in Berlin ansässig und vor kurzem Mitglied des RC Tegelort geworden, nachdem ein Sponsor die Kosten für die Mitgliedschaft übernommen hat. Quasi ein Modellfall für die Integration mittels Sport, die so „spielend“, oder eben auch reitend, rudernd oder kämpfend vollzogen wird.
Der LSB geht davon aus, dass 2016 ca. 5000 bis 6000 geflüchtete Menschen in Vereinsprojekten betreut werden. LSB-Präsident Klaus Böger sagt: „Wir sollten es ihnen und uns so leicht wie möglich machen. Der Sport ebnet den Flüchtlingen den Weg in unsere Gesellschaft.“ Vielfalt nicht als Gegensatz, sondern als Ergänzung und Gewinn für alle zu verstehen – diese Botschaft lohnte die Tour durch die Stadt.
Text: Klaus Weise, Foto: Jürgen Engler